Sonntag, 6. Juli 2008

Bück dich!

Wie lustvoll das Fotografiertwerden doch sein kann! Viele Leser kennen mich mittlerweile etwas besser und werden anhand bestimmter Fotos bestätigen können, dass ich nicht prüde bin. Ebensowenig bin ich nymphomanisch veranlagt, worauf einige meiner Erzählungen vielleicht schliessen lassen. Nein, ich lasse mich ganz einfach treiben von den Leserfantasien, fabuliere beim Joggen vor mich hin, dann und wann ein Tagtraum...

Aus einem solchen Tagtraum wurde ich an einem Nachmittag im letzten Mai herausgerissen. Ich sass vor einer Tasse mit dampfendem Espresso und war vollkommen zufrieden mit mir und der Welt. Der Typ am Nebentisch war mir von Anfang an aufgefallen (mir fallen Männer des öftern auf). Er wirkte fahrig, nestelte nervös an einer grossen Tasche herum. Er hatte ein interessantes Gesicht. Er mochte so um die Vierzig gewesen sein; angezogen war er sportlich: Veston, Jeans, hellgrüne Turnschuhe. Dann wandte er sich mir zu. "Darf ich Sie etwas fragen?". Er durfte. "Hier, gleich gegenüber, befindet sich ein knapp möbliertes kleines Studio - ich möchte Sie da fotografieren." Den letzten Teil des Satzes verschluckte er beinahe, so nervös war er. Ich musste lachen. "Mich? Wieso ausgerechnet mich?". "Ach, wissen Sie, ich möchte mit Licht und Schatten experimentieren, und Sie bringen dieses gewisse Etwas..." "Ich bin Anita." "Ich heisse Tim." Wir unterhielten uns eine Zeitlang über Weichzeichner, die Technik des Solarisierens und die Nachteile digitaler Fotografie. Bald einmal hatte ich den Eindruck, dass er es wirklich ernst meinte mit mir als Model. Leider kann ich da als Frau nicht vorsichtig genug sein. Kurzerhand folgte ich ihm über die Strasse, und wir betraten einen verstaubten Hauseingang. Das Gebäude mochte aus den 1910er Jahren stammen und war weitläufig. Es roch nach frischer Farbe. Ich ging hinter Tim die Treppe hoch. Lift gab es keinen. Tim schloss eine Tür auf, die in den Angeln quietschte; wir befanden uns in einer kleinen, nahezu leeren Wohnung mit lindgrünen Tapeten. Ich sah an mir herunter. Würde ich mich so vor seiner Kamera zeigen können? Licht... Schatten... ich trug einen langen blauen Rock, der meine Figur zwar betonte, aber nicht gleich so, dass sich auf der Strasse alle umdrehten. Und ausserdem: Brüste hat schliesslich jede Frau, Schenkel auch, aber eben. Männer. "Gehen wir erst mal nach hinten?". Tim war sichtlich aufgeregt. Ich hatte mich schon malen lassen, war in einer Kunstakademie Modell gestanden, aber das hier war für mich Neuland. Wie würde er sich anstellen? Ich hatte überhaupt nichts los in den nächsten drei Stunden und stand ganz zu seiner Verfügung. "Könntest Du mal ans Fenster stehen? So. Ja, ganz genau." Tim fokussierte und knipste, fokussierte und drückte erneut auf den Auslöser. "Geht das so, mit meiner Frisur, ich meine..." "Ich mag es, wenn Du Dein Haar offen trägst; das Licht scheint da richtiggehend durch, super." Ich spielte ein wenig mit meinem Haar und löste den Knoten. Tim war begeistert, als es mir über die Schultern fiel. Das Fenster war unterteilt in sechs kleine Scheiben; das Licht war milchig und füllte den Raum. "Beweg Dich gegen die Raummitte." Ich tat wie geheissen, und wiegte mich in den Hüften. "Genial, ja, richtiggehend genial. Du zeigst Dich wohl gern, was?" "Geht so", sagte ich, "geht so." Wie war das damals gewesen mit dem Malen? Erst hatten sie mich gebeten, mich so zu geben, wie ich bin. Angezogen natürlich. "Dreh Dich etwas zur Seite... wir benötigen Dein wundervolles Profil... danke." "Anita, weißt Du, Dein Oberkörper soll zur Geltung kommen; es ist wohl besser, wenn Du Dich ausziehst." Ich hatte Hemmungen damals, vor all den Männern. Was ging aber in Tim vor? Er legte sich auf den Boden, fotografierte mich perspektivisch, von unten nach oben. Die Kamera näherte sich dem Saum meines Rockes. Was genau fotografierte er da? Wie ich unterm Rock aussah? So, wie die andern Frauen auch, klar. Irgendwann verlangte er dann, dass ich die Träger meines Kleides über die Schultern schob. Doch, in diesem BH konnte ich mich zeigen, ohne Weiteres. Erst richtete er das Objektiv auf mein Gesicht ("perfekt, dieses Portrait, danke"), dann auf meine verhüllte Brust ("ich geh da mal etwas näher ran"). Männer. Irgendwann hatte Tim sich an meinem Oberkörper satt fotografiert. "Willste was zu trinken?". Zu meiner Überraschung befand sich in einem Eckschrank, von dem ich geglaubt hatte, er sei leer, eine Flasche mit O'Saft sowie Campari. Tim schenkte ein. Allmählich fielen die Hemmungen von mir ab, und ich war gespannt, wie weit er mit seiner Fotosession gehen würde. Ich hatte frühmorgens geduscht, war beim Friseur gewesen und fühlte mich attraktiv. Tim warf mir ein blaues Seidentuch zu. "Könntest Du bitte den BH ausziehen und dieses Tuch vor Deine Brüste halten?". Ich lächelte. "Jetzt von der Seite... perfekt. Verschieb das Tuch etwas nach links... perfekt. Knips." Dann verlangte er, dass ich das blaue Ding als Kopftuch benutzte. Während ich es sorgfältig knotete, verewigte er meinen nackten Oberkörper auf mindestens drei Filmen. "Gefallen Dir meine Titten?" fragte ich neckisch. "Sie sind grösser, als ich mir das vorgestellt habe." Damit verriet er mir ja bloss, dass er - kaum zu fassen - schon Vorstellungen von mir hatte, bevor er mich sah. Dabei kannten wir uns kaum. Männer. Künstler selbstverständlich. Fotografenblick. Ging es da immer noch um "Experimente mit Licht und Schatten?" Auf Tims Geheiss schlüpfte ich aus meinem Rock. Eine kurze Zeitlang fühlte ich mich unsicher. Was würde er mit diesen Unterwäsche-Fotos anstellen? Internet? Internet Relay Chat? Homepage? Hatte ich da eventuell auch Persönlichkeitsrechte? Das fragte ich mich vor allem, als er sich erneut hinlegte und mich "von unten" fotografierte. Worauf zoomte Tim jetzt? War mein Slip durchsichtig? Was würden die Fotos über meine Venus verraten? Ich wurde ernst. "Tim", sagte ich, "hast Du nicht bald genug "Licht-Schatten-Bilder?". "Ich kann einfach nicht genug kriegen, wenn ich ehrlich bin", sagte er und meinte es ehrlich. Erneut musste ich mich ans Fenster stellen, auf den Zehenspitzen gehen, mich auf der staubigen Matratze in der Ecke räkeln. Tim hielt alles fest. Dann verlangte er, was ich schon längst erwartet hatte. "Kannst Du jetzt Dein Höschen ausziehen?". Er bekam richtige Fotografen-Stielaugen, als ich mein letztes Textil abstreifte. "Hier bin ich, so wahr ich Anita heisse", versuchte ich, meine Verlegenheit zu überspielen. "Mmmmh..." Er brummte nur und schätzte mich ein. Classic Model? Hardbody? Hängebrüste? Bauch... Ich fand meinen Bauch bisher stets sehr weiblich, aber in diesem Moment... schien er mir intimer als die Zone zwischen meinen Schenkeln. "Anita... bück Dich jetzt bitte." "Was soll das? Wieso muss ich mich..." "Weißt Du, ich fotografiere jetzt Licht-Schatten-Körperlandschaften." So nannte man das also. Ich mag sie nämlich überhaupt nicht, diese Pobilder, die im Penthouse und ähnlichen Heftchen zu sehen sind. Frauen von hinten, die wirken, als würden sie auf etwas warten. Pfirsichfotos meine ich, worauf Frauenhintern in Nahaufnahme zu sehen sind, mit allem, was zwischen den Pobacken liegt. Im besten Fall leicht gespreizt, eine rosa Stelle, die Rosette, dann der Damm mit dem Übergang zu den Schamlippen in ihren unterschiedlichsten Verlaufsformen. Weißt Du, was für Fotos ich meine, lieber Leser? Für meinen Geschmack sind sie etwas entwürdigend, aber ich bin eben eine Frau. Dann bückte ich mich nach vorn. Tim fotografierte erst mal diskret von der Seite und trat dann mit einem entschlossenen Schritt hinter mich. "Noch etwas weiter nach vorn, Anita." "tsss, tsss, tsss" machte der Auslöser. Was er jetzt wohl heranzoomte? Ich fragte nicht nach. Irgendwann war es mir egal. Ich habe ja nicht mehr als einen ganz gewöhnlichen Frauenkörper. Dann bat er mich zur Vierfüssler-Stellung, hohles Kreuz, Ihr wisst schon. Tims Stimme klang gepresst; er atmete schwer. Hätte er mich berühren wollen, streicheln, kitzeln vielleicht? Da war aber diese Kamera zwischen uns. Fotografenschicksal.

Ich zog mich an, lächelte Tim noch einmal zu und eilte die Treppe hinunter. Meine nächste Vorlesung wartete, und der Tag nahm seinen Lauf, so, als wäre nichts geschehen. Tim bin ich nie mehr begegnet.

[(c) by Anita I.]

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