Sonntag, 4. Januar 2009

Ophelias Füsse

Wer heute die Altstadt von Fès betritt, fühlt sich in die Zeit der Geschichten aus 1001 Nacht zurückversetzt. Hinter dem Blauen Tor liegt eine eigene Welt, mit fremden Farben und Gerüchen. In den engen und verwinkelten Gassen ist der Fremde immer in Gefahr sich zu verirren.
Ja, ich war einst eine Fremde in Fès, und, ja, ich habe mich verirrt. Noch heute erinnere ich mich an all die intensiven Düfte, an welche die hierzulande käuflichen Räucherstäbchen, die einen Hauch von Orient verbreiten sollen, niemals heranreichen. “A far cry from it”, würde der Brite sagen. Ich war einige Jahre jünger als jetzt, so an die 20, und ich hatte die Kühnheit, mich als Mann verkleidet hinter das Blaue Tor zu begeben. Ich trug weite Kleidung und einen Turban, und man vermutete in mir einen grazilen und schönen Jüngling. Die Füsse verbarg ich in geschlossenen Ledersandalen, um auch dieses untrügliche Zeichen meiner Weiblichkeit vor der Allgemeinheit zu verbergen. Gar manche Moschee hatte ich bewundert, mich in die Stadtmauern verliebt und sicher an die 100 Mal die Place Mohammed V. überquert. Am Bab Guissa hatte ich Halt gemacht und unterhalb des Tores den Schlächtern zugeschaut. Hier werden bis heute auf mittelalterliche Weise Tiere geschlachtet. Bis zu jenemTag hatte ich geglaubt, dass nur Juden mit ihren primitiven Schächtritualen ein Sakrileg an Millionen von Tieren begehen, mich aber eines Bessern belehren lassen.

Dann verirrte ich mich. Die schmalen Gässchen faszinierten mich; oftmals schloss ich gar die Augen und liess mich von Düften und Klängen leiten. Manch ein marokkanischer Verkäufer fasste mich am Handgelenk, in mir einen potenziellen Käufer für Schmuck oder Teppiche witternd. Ich aber hielt ihnen Stand. Mit einem Mal, es ging wohl schon gegen Abend, stand ich vor einem Zelt, dessen Ausmasse mich in Staunen versetzten. Es war mit nachtblauem brokatartigem Stoff veredelt, und über dem Eingang hing ein golden glänzendes geheimnisvolles Zeichen. Wieso ich ohne zu zögern eintrat, kann ich heute nicht mehr sagen. Innen wirkte das Zelt noch grösser als aussen, es wurde von zahllosen Pfeilern gestützt, und es war mir wegen des diesigen Lichts unmöglich, das Zeltdach zu orten. An die 20 Männer sassen an kleinen Tischen, rauchten schweigend ihre Pfeifen oder nippten gelassen an bunten Teegläsern. Mein Herz schlug bis zum Hals, als ich mich zu ihnen gesellte. Mit einem Mal hielt auch ich ein blutrotes Teeglas in der Hand; der Inhalt duftete würzig. Dass Frauen hier nichts zu suchen hatten, war klar.

Handwerk und Handel machten Fès zu einer blühenden Stadt. Der Reichtum versteckte sich hinter unscheinbaren Fassaden. Bis heute ist Fès die kulturelle und geistige Hauptstadt Marokkos. So viele Moscheen und Koranschulen wie Fès hat keine andere Stadt im Land.

Mit weichen Knien setzte ich mich auf den letzten leeren Stuhl und erkundigte mich mit leiser Stimme (um meine Weiblichkeit auch akustisch zu verbergen) nach dem bevorstehenden Anlass. Ein Orientale mit weissem Turban zwinkerte mir viel versprechend zu und bot mir eine Schale mit Lokum an. Ich liebe Türkischen Honig! Erst jetzt nahm ich die vielen Delikatessen wahr, die um mich herum auf den kleinen Tischen verteilt waren: Datteln aus Damaskus, bunte Süssigkeiten, aufgeschnittene Früchte, die ich noch niemals gesehen hatte, gezuckerte Papaja-Stengel und Unmengen von Meererzeugnissen türmten sich vor meinen Augen. Ich delektierte mich an einer kandierten Ananas, tat einen kräftigen Zug aus einem bunten Glas und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Mit einem Mal war es totenstill, und ich stellte fest, dass der Zelteingang verschlossen worden war. Aus dem Schatten löste sich ein Gespann von vier weiss gekleideten, stolzen Männern. Auf den Schultern trugen sie eine feste Bastmatte, die an den Enden von schwerem, dunklem Holz verstärkt wurde. Auf dieser Matte sass eine Schwarze in einem nachtblauen Kleid. Dieses Kleid hatte genau dieselbe Farbe wie das Zelt, in dem wir uns befanden. Die Schwarze sass auf einem Stuhl mit sehr hoher Lehne und spielte mit einer goldenen Kette. Die Truppe kam gemessenen Schrittes auf uns zu; keiner redete ein Wort. Dann wurden an den Ecken des Zeltes Fackeln angezündet, acht an der Zahl. Im diesigen Licht sah es aus, als würde die Schwarze auf ihrem Stuhl zu uns hernieder schweben.



“Ophelia”, raunte der Marokkaner neben mir respektvoll.
Das Aufregendste an Ophelia waren ihr hoch geschlossenes Kleid und ihr offenes glänzendes Haar. Die Frauen, die ich bisher hier kennen gelernt hatte, hatten selbst ihr Antlitz mit Tüchern verhüllt; ihr Gang war gebückt. Ophelia aber wirkte stolz, unnahbar, wie eine Kämpferin. Einzig ihre Füsse waren nackt. Ich betrachtete sie genauer und wusste sogleich, dass ich in meinem ganzen Leben niemals mehr derart schöne Füsse zu Gesicht bekommen würde. Die Zehen waren von eleganter Länge, der Fussrücken war schlank und doch kräftig, die Knöchel beider Füsse waren mit je einem silbernen Kettchen verziert. Im linken Nasenflügel trug Ophelia eine winzige Perle. Die Männer rückten ihre Stühle so zurecht, dass sich eine Art Arena bildete; wir sassen im Kreis mit Ophelia in unserer Mitte. Als sie sich erhob, begann mein Herz heftig zu klopfen. Ergriffen mich, die Verkleidete, jetzt Männergefühle? Hinter mir, über und neben mir nahmen Trommeln ihren eintönigen Rhythmus auf, die Männer taten fast alle zur selben Zeit einen andächtigen Zug aus ihren Wasserpfeifen. Die vier Träger entfernten behände Ophelias kunstvoll gefertigten Stuhl und die Bastmatte. Ophelias Füsse gruben sich in den Sand. Sonst tat sie nichts. Sie stand regungslos mitten im Zelt, und nur ihre Zehen führten ein Zwiegespräch mit dem weissen Sand unter ihnen. Ophelia war sehr gross, bestimmt an die 1.80 m, und ihr Kleid sass ihr wie angegossen. Höchstens an der Hüfte schien es etwas zu spannen. Nun begann sie sich im Rhythmus der Trommeln zu wiegen, wirkte aber eher wie eine bewegliche Säule denn wie eine Tänzerin. Alle Bewegung schien von ihren Füssen auszugehen. Ich verfolgte die Blicke der anwesenden Männer. Sie waren nicht etwa auf Ophelias Busen oder auf ihre Körpermitte fixiert, nein, die kollektive Aufmerksamkeit im Raum galt Ophelias Füssen.

Fès ist Ophelias Stadt. Ich weiss jetzt, dass sie von hier kommt. In irgendeinem dieser zahllosen Seitengässchen ist sie zur Welt gekommen, hier ist sie aufgewachsen, hat gespielt in einem Schatten spendenden Innenhof, ist den Weg der Befreiung gegangen.

Mit tänzerischen Bewegungen kam Ophelia auf mich zu. Genau genommen, tanzten ihre Füsse. Der Rest ihres wundervollen, grossen Körpers blieb nahezu reglos. Ophelias Augen aber funkelten. Sie stand nun direkt vor mir, mein Herz drohte auszusetzen. Was war bloss los mit mir? Langsam winkelte Ophelia ihr linkes Bein an und setzte mir ihren sorgfältig gepflegten Fuss aufs Knie. Neidvolle Blicke ruhten jetzt auf mir – und mit Schrecken stellte ich fest, dass auf Grund der zunehmenden Hitze die restlichen Teilnehmer ihren Turban abgelegt hatten. Ich konnte mir solches im Augenblick keinesfalls leisten; zu fein, zu weiblich war mein Antlitz, mein Haar, als dass ich den Verkleidungszauber weiterhin hätte aufrecht erhalten können. Ich gebe es unumwunden zu: Ophelia erregte mich. Sehr sogar. Mein Unterleib fühlte sich schwer und warm an, als Ophelia jetzt begann, mit ihrem Fuss meinen Oberschenkel zu massieren. Ophelias Fuss war nicht nur atemberaubend schön, sondern auch kräftig und sehr beweglich. Spielerisch spreizte sie den kleinen Zeh ab. Bei vielen von uns Europäerinnen hat sich der Musculus Abductor Digiti Minimi, der solches ermöglicht, auf Nimmerwiedersehen zurückgebildet – wegen Nichtgebrauchs. Ich konnte nicht anders und berührte vorsichtig Ophelias Fussrücken. Sie nickte mir ermunternd zu. Ophelias Haut war nicht tiefschwarz, auch nicht kaffeebraun, sondern von wunderschön regelmässiger Dunkelheit. Dunkel ist keine Farbe, aber Ophelias Haut kann man nur so beschreiben: Verlangend, wild, geheimnisvoll. Die Fussohlen hingegen waren blassrosa, wie ich an den Rändern feststellen konnte, und von der Feinheit von Alabaster. Schockiert musste ich feststellen, dass der Marokkaner an meiner Seite sein grosses, schweres Glied von den vielen Tüchern befreit hatte, die ihn kleideten, und ruhig und gelassen daran rieb. Er flüsterte mir etwas zu. Forderte er mich etwa auf, es ihm gleich zu tun? Ich festigte meinen Griff um Ophelias Fussrücken und drückte ihn liebevoll. Durfte ich das überhaupt? Einer wildfremden Frau den Fuss liebevoll drücken? Ich kannte mich nicht mehr. Wie geschah mir? Führte meine Verkleidung dazu, dass ich seelisch zum Mann wurde? Ich vermutete, dass Ophelia unter ihrem nachtblauen Kleid nackt war. Wieso interessierte mich derartiges? Ich ging davon aus, dass das mir angebotenen Lokum mit Drogen versetzt war und ergab mich der Situation. Keiner hier war doch clean, entweder sie zogen sich ihren Stoff mit der Wasserpfeife rein oder kauten an irgendwelchen Blättern, die ihnen die Seele wärmten oder gar zum Kochen brachten. Für mich wurde die Situation immer gefährlicher. Gefährlich und erregend zugleich. Ophelia nahm lächelnd ihren Fuss von meinem Knie, drehte sich um und setzte sich auf meinen Schoss. Mit ihrem schweren, grossen, warmen, weichen Hintern sank sie tief in mich hinein, zog ihre Füsse an – und präsentierte ihren Zuschauern, deren Augen geil flackerten, ihre rosa Fusssohlen. Der Mann links von mir ejakulierte und fing eine ganze Menge der weisslichen Flüssigkeit mit seinen Händen auf. Ophelia bewegte ihren Hintern auf meinem Schoss. Ob sie da etwas suchte? Immer ungeduldiger bewegte sie ihre Hüfte, während die Trommeln um uns herum lauter wurden und zusätzliche Fackeln den Raum erhellten. Dann schnellte sie hoch und begann wie in Ekstase zu tanzen. Jetzt setzte sie ihren ganzen Körper ein, und die Männer begannen rhythmisch zu klatschen. Orientalische Flöten waren zu hören, und Ophelia wirbelte umher als wäre sie vom Teufel besessen. Möglicherweise war sie das auch. Sympathy for the Devil. Mick Jaggers und Keith Richards Augen hätte ich sehen wollen, hätten die beiden unter den Anwesenden geweilt. Wie eine Feder sprang Ophelia auf die sitzenden Zuschauer zu und schnellte wieder zurück, als sie nach ihr greifen wollten. Ophelia gab sich unerreichbar. Die Sache näherte sich wohl dem Höhepunkt, als die vier Träger, die die Tänzerin herein gebracht hatten, einen schweren langen Tisch in die Mitte des Raumes schoben. Darauf waren vier Lederschlaufen angebracht. Einer der Männer in der Runde belegte den Tisch feierlich mit bunten Kissen aus matt glänzendem, wertvollem Stoff. Die vier Träger gingen entschlossen auf Ophelia zu und rissen sie aus ihrer Ekstase. Sie hoben sie an Armen und Beinen hoch und legten sie auf den Tisch. Ophelia lächelte selbstvergessen, als sie sie an den Extremitäten mit den Lederschlaufen an der Tischplatte fixierten. Endlich konnte ich die Unterseite ihrer Füsse in ihrer ganzen Pracht bewundern. Die schimmernde rosa Farbe von Ophelias Fussohlen war ein wahres Gedicht. Die Männer in der Runde teilten wohl diese Meinung und rückten wortlos zusammen. Wie kleine Jungs begutachteten sie die Füsse der schönen Schwarzen. Neckisch spreizte sie ihre kleinen Zehen ab, was zu einem verhaltenen Raunen in der Runde führte. Ophelias blaues Kleid fiel zu beiden Seiten herab und gab den Blick auf ihre Unterschenkel und Knie frei. Das schien aber keinen zu interessieren; alle waren auf die Füsse dieser Königin der Nacht konzentriert. Neben mir sass jetzt ein Hüne, der mir bisher gar nicht aufgefallen war. Er trug einen samtenen Umhang und hielt in seiner Rechten eine üppige Pfauenfeder. Würdevoll langsam erhob er sich und ging auf den Tisch zu, auf dem Ophelia lag. Vor ihren Füssen kniete er nieder… etwas Unerhörtes in einer Weltgegend, wo es doch eher die Frauen waren, die sich den Männern unterwarfen – oder von ihnen unterworfen wurden... zumindest aus der Optik unseres westliches Kultur- und Gesellschaftsverständnisses. Ich stellte fest, dass Ophelia in diesem Moment die Augen schloss und den Kopf zur Seite drehte. Vorsichtig berührte die Pfauenfeder des Hünen ihre rechte Fusssohle. Der Orientale war höchst konzentriert und begann nun, Ophelias Fuss systematisch zu bekitzeln, von den Zehenballen ausgehend Richtung Ferse. Ophelia zuckte nicht ein Mal zusammen. Mich durchfuhr ein Schauer. Hätte man derartiges mit mir getan, ich hätte nur noch laut geschrien und gelacht und meinen Kopf von der einen Seite zur andern geworfen. Ophelia aber blieb ruhig. Der Hüne kam mir vor wie ein Astronom, Gynäkologe oder Goldschmied, der, unbeeinflusst von äusseren Umständen, seiner Arbeit nachgeht. Nach endlosen Minuten sprang der Hüne abrupt auf und wandte sich direkt mir zu. Mein Herz machte einen Angsthüpfer. War ich entlarvt? Mit einem langen silbernen Stab bedeutete er mir, ihm zu folgen. Wie hypnotisiert ging ich hinter ihm her und starrte gebannt auf den runden Kreis, den er an Ophelias Seite in den Sand zeichnete. In diesen Kreis musste ich mich stellen. Gleichmütig liess der Mann den Arm sinken, ging um den Tisch herum und kniete sich wieder vor Ophelia auf die Erde. Er schien sie jetzt intensiver zu kitzeln, jedenfalls zeigte Ophelia Körperreaktionen. Zuerst bewegte sie leicht die Hüfte, dann warf sie lachend den Kopf nach hinten. Augenblicklich zog der Hüne die Pfauenfeder zurück. Mit Handzeichen tat er mir kund, ich solle langsam Ophelias Kleid aufknöpfen. Zum ersten Mal plagten mich Gewissensbisse. Durfte ich das? Den Körper einer Geschlechtsgenossin fremden Männern preisgeben, und erst noch in einem Land, dessen Kultur zu erkennen ich erst im Begriff war? Sein Blick durchfuhr mich. Es ging hier nicht um eine Bitte, sondern um einen Befehl. Ich war auserkoren zum Beihelfer dieser hocherotischen Zeremonie, die selbst mich als Frau in höchste Erregung versetzte. Ich suchte in Ophelias Augen Einverständnis; diese lächelte mir vielsagend zu und formte mit ihren Lippen einen Satz, der mich erstarren liess: “I know that you are a woman.” Mit zitternden Fingern machte ich mich am obersten Knopf ihres langen Kleides zu schaffen. Im Raum war es totenstill. Die Knöpfe waren aus Perlmutt, der in wunderbaren Farben schimmerte. Ophelia schloss die Augen und lächelte. Ich öffnete den nächsten Knopf. Noch immer hielt der Hüne mit Kitzeln inne. Ophelia lächelte mir ermunternd zu. Der letzte Knopf befand sich etwa in Höhe von Ophelias Nabel. Unterwegs stellte ich fest, dass sie unter ihrem Kleid tatsächlich nackt war. Meine eigene Erregung war mir ein Rätsel. Waren nicht nur das Lokum, sondern auch die Getränke angereichert mit mir unbekannten Substanzen? Ich öffnete den letzten Knopf, und Ophelias Kleid fiel zu beiden Seiten herab. Ihre Brüste waren viel grösser als ich vermutet hatte; ihre grossen, flachen Warzen wirkten einladend. Ophelia war ausgesprochen schlank, was durch ihre Körpergrösse noch betont wurde. Ihr Bauch hob und senkte sich; an ihrem langen Hals traten feine Gefässe hervor. Ihr Schamhaar war kunstvoll zurecht gestutzt, so, dass sie nicht ganz nackt wirkte, der Verlauf ihrer Venuslippen aber doch genau zu erkennen war. Jetzt erst trat der Hüne wieder in Aktion. Er stand auf, verneigte sich vor der Nackten, kniete sich wieder hin und bearbeitete Ophelias Füsse mit zwei Pfauenfedern. Die Wirkung liess nicht lange auf sich warten. Ophelia lachte mit einer Stimme, die mir direkt ins Herz fuhr, und bewegte ihre Schultern, so gut, wie das mit fixierten Handgelenken möglich ist.. Erneut bewegte sie ihr Becken und bäumte sich auf. Wie ein Naturereignis wirkte sie inmitten der Fackeln; die eine blendete mich derart, dass ich die turbanbekleideten Männer nur noch schemenhaft erkannte. Der Hüne kitzelte unbeirrt weiter. Ophelia sank wieder in sich zusammen. Das feuchte Glitzern zwischen ihren Venuslippen zog jetzt doch etliche Blicke auf sich; aber noch immer konzentrierten die Männer sich auf Ophelias Füsse. Ich stand wie angewurzelt und versank in Ophelias Augen. Sie schien mich einnehmen zu wollen – und in diesem Moment hatte ich das Gefühl, etwas für uns zwei Frauen tun zu müssen. Ich trat aus meinem Sandkreis heraus, verlagerte mich nach rechts und beugte mich über sie. Kurz darauf versanken wir in einem innigen Zungenkuss. Ophelias breite, feste Lippen werde ich nie mehr vergessen. Im selben Moment bäumte sie sich wieder auf. Der Hüne kitzelte unentwegt. Schweissperlen bildeten sich an ihrem Hals und suchten sich den Weg zwischen ihre schweren Brüste. Ich schloss die Augen und küsste Ophelia erneut. Fast hätte mein Turban sich gelöst. Nur eine heftige Kopfbewegung der schwarzen Freundin rettete mich. Da umfasste mich von hinten einer der Männer und zog mich von Ophelia weg. Was ich da tat, war in dieser Gesellschaft natürlich zutiefst ungehörig. Wie hatte ich bloss so dumm sein können! Einer von Ophelias Trägern riss mir den einen Arm auf den Rücken, und ich wurde vor dem Zelt abgesetzt. Es war tiefe Nacht, und nur mit viel Glück fand ich zu meinem Schlafquartier zurück. Einen Tag später trieb mich die Neugierde nochmals an jenen Ort mit dem nachtblauen Zelt. Es war verschwunden. Was mit Ophelia geschah, werde ich wohl nie erfahren.

In Fès verschwindet manches im Nebel der Zeit. Nie dagewesenes präsentiert sich dem überraschten Besucher, Selbstverständliches aber entzieht sich auch dem schärfsten Blick. Am Ende eines entlegenen Gässchens befindet sich ein nachtblaues Zelt. Aussenstehenden ist der Zutritt strengstens verwehrt.

[(c) by Anita I.]

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