Sonntag, 1. November 2009

Luna

Luna hatte breite Lippen. Das war ihr Hauptmerkmal. Breite Lippen. Lunas Vater war Nigerianer, die Mutter kam aus Eritrea. Die beiden hatten Luna breite Lippen geschenkt. Gelassenheit auch. Luna sass in der Nähe des Bahnhofs in einem Café und nestelte in ihrer Tasche nach der Pommade. Damit hielt sie ihre Lippen feucht. Klar. Die Luft war ja so was von trocken in dieser kleinen süddeutschen Stadt. Luna trug an jenem Donnerstag Morgen einen senfgelben Pullover, der sie eher schlecht vor der Kälte schützte – und stillte ihre vier Monate alte Tochter. Das war für sie etwas ganz Natürliches, das öffentliche Stillen. Genüsslich nippte sie dazu an ihrem Espresso. Gesättigt und müde war ihre kleine Joenne; der Kopf des Babys kippte zur Seite. Herr Berger liess sich den kurzen Moment nicht entgehen, in dem Lunas Brustwarzen zu sehen waren. Grosse, dunkle und naturgemäss steife Brustwarzen hatte Luna, beim Stillen sowieso. Diskret blickte Herr Berger wieder zur Seite, so, als hätte man ihn ertappt. So, wie das die meisten Männer tun. Nachdem sie hingeschaut haben. Ts ts, so etwas tut man doch nicht! Einer stillenden Mutter auf den Busen… ts, ts. Da war aber dieser erregende Kontrast von senfgelbem Pullover und den Nippeln einer Eritrea-Nigerianerin… Herr Berger war aufs Höchste erregt. "Comment s’appelle la petite?" fragte er mit gespielter Neugier und beugte sich über den kleinen Bistrot-Tisch. "Ich spreche auch Deutsch", machte ihn Luna aufmerksam und zog ihren Pullover zurecht. Eine kleine nasse Spur zeichnete sich auf der Baumwolle ab, an der Stelle, wo noch ein wenig Milch aus ihrer Brust tröpfelte. Die kleine Joenne sog gut; Luna begriff nicht, wieso die Europäerinnen oftmals eine Stillberatung benötigten. Es war doch ein derart natürlicher und problemloser Prozess, einem Kleinkind zu Trinken zu geben… die Leute hier waren so was von degeneriert, dachte sie oft bei sich, verdrängte aber solche Gedanken sofort. Sie musste froh sein, hatte sie trotz ihrer dunklen Haut überhaupt eine Stelle und eine Wohnung gefunden. Freunde hatte sie keine hier. Herr Berger auch nicht. Er sah bedeutend älter aus, als er war, mit seinen 40 Jahren… Nicht nur sein sich lichtendes Haar wies auf unaufhaltsamen Zerfall hin, sondern auch seine schweren Augenlider, die er schon lange hätte liften lassen, wenn nur das Geld… das ihm sein Vater als Vorerbe versprochen hatte, endlich daher gekommen wäre. Er lebte seit Jahren allein, war zwei Mal geschieden. Da lächelte ihn Luna an! Ihr Lächeln brannte sich mitten in sein Herz. Als sie aufstand, konnte Herr Berger nicht anders, als auf ihre Beine zu starren. Sie steckten in engen Jeans, waren endlos und mündeten im Nirvana. Hilfsbereit erhob sich Herr Berger und half Luna, die Kleine in den schäbigen Kinderwagen zu packen. Luna dankte es ihm erneut mit einem Lächeln. Sie wohnte gleich um die Ecke, hatte sich bloss diesen kleinen Espresso gönnen wollen. Mehr nicht. Aber da war dieser Mann. Herr Berger. Er erinnerte sie stark an ihren älteren Bruder. Kokett zwinkerte sie ihm zu. Wie es zu einem Gespräch kam zwischen diesen beiden völlig unterschiedlichen Personen, ist schwer zu sagen. Luna redete mit einem Mal drauflos; Herr Berger warf Fragen dazwischen. Die Nervosität der beiden war greifbar. Senfgelber Pullover, dunkle Haut, Jeans. Reizbegriffe für Herrn Bergers Beuteschema. Älterer, wohl erzogener, vermutlich gut situierter Herr. Nicht gerade Lunas Traum, aber wieso sollte nicht auch sie mal ihren Spass haben? Sie war allein erziehend und wusste nicht genau, von wem ihr Kind war. Das hatte fatale Auswirkungen auf die Gerichtsverhandlungen. Anzeige gegen Unbekannt? Was hätte sie tun sollen? Herr Berger folgte ihr zur kleinen Wohnung um die Ecke. "Ich wohne im Erdgeschoss", sagte Luna bestimmt und suchte den Haustürschlüssel. Herr Berger, seines Zeichens seit Monaten arbeitslos, hatte nur noch Augen für den senfgelben Pullover. Modefotograf war er gewesen, ehrlicher gesagt, Assistent. Er durfte gnädigst das Layout entwerfen, das wiederum von anderen definiert wurde. Mit Kontakten zu den Models war da gar nichts. Der Mann von der Strasse stellt sich das kreuzfalsch vor. Im Treppenhaus roch es nach Kohl. Da war dieser typische 40er-Jahre-Geruch, wie ihn schon Heinrich Böll in seinem frühen Werk beschrieben hat. Lunas Wohnung war stickig und keineswegs kindergerecht. Für die arme Joenne hatte sie aber einen wunderschönen kleinen Platz hergerichtet; der Wickeltisch war mit einem fröhlichen Giraffenmuster überzogen. Die Kleine schlief tief und fest. Mit rührenden Bewegungen (so empfand das Herr Berger) legte sie die Kleine ins Korbbettchen, deckte sie zu und küsste sie leise auf die Stirn. Herr Berger war ergriffen. Dann wandte sich Luna ihm zu. "Kaffee?" fragte sie in bestem Deutsch. "J… ja gerne!" Die Küche war eng – viel zu eng für zwei Personen, die sich kaum kennen. Herr Berger hatte eine feine Nase und konnte Luna jetzt riechen. Sie duftete anders als die weissen Frauen, die er bisher kennen gelernt hatte – irgendwie kräftiger. Lunas Herz klopfte bis zum Hals. Irgendwie stiess dieser Mann sie ab – und zog sie zugleich an. Sie wusste genau, wohin er jetzt starrte. Sie war stolz auf ihren kleinen Hintern. Eigentlich war Lunas Po nicht nur klein, sondern winzig; irgendwo am Horizont ihrer nicht enden wollenden Beine. Die Jeans sass faltenfrei. Ob sie einen String trug? Gedankenverloren starrte Herr Berger auf ihre crèmefarbenen Pasito-Schuhe. Wieso trugen so viele farbige Frauen crèmefarbene Schuhe? Die Weissen bevorzugten schwarzes Schuhwerk, das war eindeutig, galt als elegant… aber Frauen wie Luna? Na ja. In der Küche war wegen der Dunkelheit nicht viel zu erkennen; lediglich eine endlose Batterie von Gewürzen. Ob sie sich überhaupt zurechtfand im grossen, kalten Deutschland? Der Beschützerinstinkt in Herrn Bergers Innerem begann sich zu regen. Luna war eine selbstbewusste Frau – er spürte das. Die Vorstellung, sie sei hilflos und auf Männer wie ihn angewiesen, versetzte ihm einen intensiven Kick. Dann richtete sie zwei völlig verschiedene Kaffeetassen, klaubte drei Stück Würfelzucker aus einer Dose und legte sie einfach aufs Servierbrett. "Wir gehen nach drüben", lud sie Herrn Berger ein. "Drüben" war nun wirklich ein Loch. Eine riesige Matratze bedeckte den Boden; drei Voodoo-Puppen standen in einem ansonsten leeren Regal. Dem tiefreligiösen Herr Berger stockte der Atem. "Teufelsfrau?" dachte er bei sich. "Darf ich überhaupt…" aber das Blut in seinem Kopf rauschte und hinderte ihn am Denken. Luna setzte das Serviertablett auf der Matratze ab. Erst jetzt entdeckte Herr Berger, dessen Augen sich mittlerweile an die Dunkelheit gewöhnt hatten, die riesigen Bilder, die die Wände bedeckten. Es waren Ritualbilder; mit unzähligen Menschen darauf. Diese Menschen waren nackt, irgendwo glomm Feuer; Knochen waren zu sehen, Naturgewächs und bizarre Tiere. Würde sie mit ihm schlafen? Mit einem Mal war ihm mulmig zumute. Dann starrte er mit weit aufgerissenen Augen auf Luna. Diese zog ein langes Messer unter der Matratze hervor und begann, ihren Pullover damit aufzuschneiden. Es gab ein unangenehmes ratschendes Geräusch – aber bevor Herr Berger darüber nachdenken konnte, stand Luna mit blitzendem Gebiss und nacktem Oberkörper vor ihm. Ihre Brüste bestanden fast nur aus eindrucksvollen Brustwarzen, die sehr lang waren. Vorsichtig begann Luna daran herumzuspielen. Herr Berger kauerte wie ein kleiner Junge auf der Matratze. Mit kleinen Schritten näherte sich ihm Luna. Langsam kreiste sie mit den Hüften; ihrem Opfer wurde schwindlig. Opfer? Für Unbeteiligte zumindest hätte es so ausgesehen: Die kräftige, wunderschöne und selbstbewusste Schwarze inmitten ihres Reichs aus mysteriösen Bildern und Zauberpuppen, die ihr Kraft gaben. Herr Berger wirkte eher kraftlos. The Spider and the Fly. Luna spielte an ihrer Gürtelschnalle. In Zeitlupe öffnete sie den Verschluss. Lasziv machte sie sich an ihrem Schritt zu schaffen. Herr Berger drehte sich auf den Rücken und betrachtete von unten die Frau, die daran war, ihn auf für ihn nie da gewesene Art zu verführen. Ein kleiner blauer Slip bedeckte Lunas Nötigstes. Kein String. Von unten, aus Herrn Bergers Perspektive, wirkten ihre Beine noch länger. Erst jetzt entdeckte er die Fernsteuerung in Lunas rechter Hand. Zipp. Musik ertönte. Michael Jackson und Mick Jagger. State of Shock. Dazu bewegte sich Luna rhythmisch. Was für eine Frau! Wie cool doch im Dämmerlicht der hellblaue Slip mit der dunklen Haut kontrastierte! War das jetzt Voodoo? Verwünschte sie ihn? Da blitzte wieder ihr Messer; kurz darauf fiel Lunas Slip auf Herrn Bergers Gesicht. Dieser sog den würzigen Duft ein; den Duft von Leben, Wärme und weiblicher Erregung. Sein Herz schlug bis zum Hals. Von unten betrachtet, sah ihre Spalte aus wie ein Kunstwerk. Lunas kleine Schamlippen waren deutlich grösser als die grossen Labien und gaben ihrem Geschlecht eine provozierende Form. (Lieber Leser: bist Du Dir bewusst, wie vielfältig das weibliche Geschlecht ist? All die Ritzen, Furchen, Ausstülpungen, Perlen, Grübchen und Tälchen, die sich da zeigen, wenn man nur fein genug beobachtet? Wann hast Du Deine Freundin "da unten" zum letzten Mal untersucht? Sieh das nächste Mal genau hin, und Du wirst Wahrheit entdecken - einen Teil der Wahrheit dieser Welt, die sich in Muscheln, Orchideen, Blütenblättern mannigfaltig wiederholt.) Langsam senkte sich Luna auf Herrn Bergers Gesicht. Trotz der Dunkelheit konnte er die Details erkennen, bevor sich die Wärme ihres Geschlechts ganz auf ihm ausbreitete. Lunas rhythmische Bewegungen brachten den sonst eher scheuen Herrn Berger zum Kochen. Er bewies sich als wahrer Zungenakrobat, was seine Verführerin aber kalt liess – zumindest liess sie sich nichts anmerken. Immer, wenn er sie an den Hüften packen wollte, entzog sie sich ihm, war ganz Meisterin dieses Liebesrituals. Zwischendurch hoffte er, sie würde sich mit ihren Prachtslippen seines Gliedes bemächtigen, wurde aber enttäuscht. Herr Berger sah dafür ihre Brüste von unten und vergrub diesen Anblick für immer tief in seinem Herzen. Alles öffnete sich für ihn in diesem Moment, alles – und das im wahrsten Sinne des Wortes. Überrascht stellte er fest, dass Lunas Inneres rosa schimmerte; sogar hellrosa, um genau zu sein. Dann hielt er es nicht mehr aus. In einem unbändigen Kraftakt wand er sich zwischen Lunas Schenkeln hervor und umklammerte sie. In diesem unpassenden Moment begann sie laut zu lachen – so laut, dass der arme Herr Berger eine vorübergehende Erektionsstörung erlitt. Dann, endlich, liess sie es zu, dass er in sie stiess, wieder und wieder. Oh, dieses Luder! Diese Schlampe! Diese geile…"Hältst mich wohl für ein Luder? Eine Schlampe? Eine geile…" las Luna seine Gedanken. "Scheisse! Ich wollte nicht…" dachte Herr Berger. "Scheisse! Du wolltest nicht…" lachte Luna ihn aus. Dann legte sie die kalte Messerklinge an seinen Hals. Die Voodoo-Puppen warfen geheimnisvolle Schatten. Zwischen Lust und Angst war Herr Berger hin- und her gerissen, wohl wie Odysseus, damals, zwischen Skylla und Charybdis, if you know what I mean. Dann entschied sich Herr Berger für Lust. Ganz Athlet, drang er wieder in sie, von hinten, wie sich das in dieser naturnahen Situation gehörte – und da, endlich, stöhnte Luna zum ersten Mal auf. Es war ein dunkler, lang gezogener Laut, wie ihn nur Urfrauen zustande bringen. Herr Berger blieb reglos in ihr, für einen kurzen Moment, und liess das Stöhnen auf sich wirken. Dann pumpte er weiter. Lunas kleiner, muskulöser Hintern gab ihm den Rest. Er vögelte bis an den Rand der Besinnung – und wenn nicht die kleine Joenne in dem Moment erwacht wäre und zu schreien begonnen hätte – mein Gott, Herr Berger hätte sich in Luna entladen, so, wie noch nie zuvor in seinem harmlosen Leben als Bürger von Freiburg im Breisgau.

[(c) by Anita I.]

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