Sonntag, 5. Oktober 2008

Im Zug

Roald Petermichl verstaute schnaufend seinen schweren Koffer und betrat das Abteil. Er setzte sich ans Fenster und traute seinen Augen nicht. Die Zugpassagierin ihm gegenüber war nackt. Sie hatte die Beine übereinander geschlagen, so, als hätte sie etwas zu verbergen (und das hatte sie ja auch). Die Frau hatte die Arme vor den Brüsten verschränkt und blickte knapp an ihm vorbei. Sie war hübsch, die Frau, und ihr rötliches Haar schimmerte matt in der Abendsonne. Roald Petermichl konnte den Blick nicht von ihr lösen, was der Frau offensichtlich unangenehm war. Sie begann nervös mit dem Fuss zu wippen, als der Zug sich in Bewegung setzte. Roald Petermichl war 55 Jahre alt, verheiratet und hatte drei Töchter im Erwachsenenalter. Er arbeitete für eine Uhrenfirma und freute sich bereits jetzt auf die Zeit, in der er seinen Job an den Nagel hängen und sich ganz und gar seinen Hobbies widmen würde: der Aufzucht von Geranien und dem Eierwerfen auf der kleinen Waldlichtung hinter seinem schmucken Haus. Und jetzt das. Ob sie „da unten“ rasiert war? Verlockend schimmerten feine Härchen im Nabelbereich seines Gegenübers. Ihre Brüste? Birnenförmig (was er auch an seiner Frau so liebte), keck nach vorne stehend und sich der Schwerkraft verweigernd – oder prall und schwer? War sie vielleicht schwanger und verfügte über grosse, reizvolle Nippel? Seit Jahren hatte Roald Petermichl keine Erektion mehr gehabt, aber sein Gegenüber machte es ihm leicht. Nein, so, wie sie dasass, konnte er keine Details erkennen. Er konzentrierte sich auf ihre wohlgeformten Beine. Am linken Knie war, kaum sichtbar für Aussenstehende, eine feine weisse Narbe zu erkennen. Ob sie sich mal eine Sportverletzung zugelegt hatte, das arme Schätzchen? Roald Petermichl fuhr aus seinen Gedanken hoch, als der Kondukteur das Abteil betrat. Bestimmt, aber freundlich verlangte er die Fahrkarten. Die Nacktheit der Rothaarigen schien ihm nichts auszumachen – er behandelte sie so, als wäre sie eine ganz normale Zugpassagierin. Dann blieb Roald Petermichl für eine Sekunde das Herz stehen. Während sein Gegenüber in ihrer Handtasche kramte, wechselte sie die Sitzposition, und ihre Beine kamen nebeneinander zu stehen. Endlich, endlich gab sie so den Blick auf ihre Muschi frei. Es war dicht behaart, so weit Roald Petermichl das beurteilen konnte – und doch wurde der Ansatz der Schamlippen nicht ganz verborgen. Wie Blütenblätter teilten sie sich ein wenig, und das Rosa in ihrem Inneren war zu sehen. Auch das schien den Kondukteur nicht zu beschäftigen, er verabschiedete sich und wünschte eine gute Reise. Der Zug fuhr in B. ein. Roald Petermichl blieb abermals das Herz stehen, als er nach draussen blickte: Sämtliche Leute, die dem Zug entströmten, sämtliche Leute, die die dem Zug entströmenden Leute empfingen, und sämtliche Leute, die weder dem Zug entströmten noch die dem Zug entströmenden Leute empfingen, also alle, waren splitternackt. Teils bewegten sie sich elegant, teils eher weniger, teils überhaupt nicht. Aber alle hatten sie die soeben erwähnte Gemeinsamkeit. Jetzt lächelte sein Gegenüber ihn zum ersten Mal an. „Unglaublich, so viel Betrieb um diese Zeit, nicht?“ fragte sie mit glockenhafter Engelsstimme. Roald Petermichl rauschte der Kopf. Endlich konnte er auch ihre Brüste studieren. Sie waren tatsächlich birnenförmig, mit den für rothaarige Frauen oftmals typischen hellrosa Nippeln. Oh, wie gerne, wie liebend gerne hätte er jetzt ein wenig, nur ein ganz klein wenig, daran gelutscht, wie ein kleines Kind. Sie war atemberaubend. Doris, wie sie sich vorstellte, spreizte ein ganz klein wenig die Beine und gab so den letzten Winkel ihres Geheimnisses preis. Der Zug setzte sich wieder in Bewegung, und in diesem Moment erhob sich die Schöne, um dem Netz über ihr einen kleinen Koffer zu entnehmen, und diesem Koffer ein Buch. Um dem Koffer das Buch zu entnehmen, wandte sie Roald Petermichl ihren runden Hintern zu und musste sich, um das Gewünschte zu erhalten, ein ganz klein wenig bücken. Er hätte ihr problemlos die Nase zwischen die Pobacken schieben und dort eine ganze Weile verharren können, ohne Luft zu holen, in kontemplativer Reglosigkeit. Das Pfläumchen der Rothaarigen, das heisst, dessen Anblick, durchdrang seine Seele bis ins Innerste, und er hatte seine geliebte Lucie zuhause komplett vergessen. Er streckte die Hand aus, wie ein Kind nach einem Luftballon… hielt dann aber, wie sich das für anständige Männer gehört, inne. Ein Hauch von Parfüm wehte ihm entgegen, als Doris sich wieder hinsetzte, entspannt und unverklemmt, mit leicht geöffneten Beinen, so, als trüge sie einen knielangen Rock. Roald Petermichl blickte auf die Uhr. Die Zugfahrt würde noch eine ganze Viertelstunde dauern. Er schloss die Augen und stellte sich vor, wie sie ihre glänzenden Lippen über seinen Penis schieben würde, die Doris, und wie er sich daran machen würde, ihre birnenförmigen Wundertitten zärtlich zu kneten und zu streicheln. Ja, er würde sie untersuchen, jeden Zoll ihres Zauberkörpers, beim Nabel verweilen, an ihrer feuchten Scham spielen, ihre Cliti reiben, und oh ja, ihren Anus ertasten. Er öffnete die Augen. Die Rothaarige lächelte ihn an. Aber – was war das? Sie trug jetzt eine senfgelbe Bluse, die ihr Gesicht etwas blass erscheinen liess. Der Rock war knielang und lindgrün. So, als wäre es nie anders gewesen. Sie trug schicke schwarze Pasito-Schuhe. Durch und durch eine Frau der Mittelklasse. Stilnox®, ein Nicht-Benzodiazepin der Schlafmittel-Klasse, die Tablette also, die Roald Petermichl eine Stunde zuvor eingeworfen hatte um sich während der Fahrt etwas zu entspannen, hörte allmählich auf zu wirken – und damit auch (leider) die halluzinogenen Nebeneffekte, über die normalerweise keiner redet.

[(c) by Anita I.]

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